Aus Verantwortung für Deutschland, betriebliche Praxis braucht Tarifeinheit – „Fatal Error“ bei der Bahn?

(Verfasser: Norbert Just)

Nachdem sich der Börsengang der Deutschen Bahn AG mit dem Holdingmodell in eine Richtung kanalisiert, mit welcher wir Liberalen gut leben könnten, gestaltet sich der Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) und der Bahn zum Megarisiko für den Börsengang selbst.

Grund genug die in sonstigen Tarifstreitigkeiten übliche Neutralität und Zurückhaltung der Politik zu überdenken. Natürlich ist es Sache der Tarifpartner zu entscheiden, wie viel ein Lokführer verdient. Das die  bisherigen Tarifpartner, die Tarifgemeinschaft aus TRANSNET und GDBA auf der Einen und das Management der Bahn auf der anderen Seite bei der Vertretung berufsgruppenspezifischer Belange alles Andere als eine glückliche Hand hatten und folglich die älteste Eisenbahnergewerkschaft selbst aus ihrem jahrelangem Schattendasein herausgehoben haben, ist eine wohl unbestreitbare Tatsachenur richtig hilfreich ist diese Feststellung bei der aktuellen Problemlage auch nicht.

Was diesen Tarifkonflikt allerdings als Alleinstellungsmerkmal kennzeichnet, ist die Besonderheit der Forderung nach einem eigenständigen Tarifvertrag. Dessen logische Konsequenz ist dann wiederum das Ende der Tarifeinheit im Unternehmen Bahn.
Hier werden Grundfesten im Verhältnis von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern berührt. Hier gilt es von Seiten der Politik Flagge zu zeigen. Die Frage nach dem Warum werde ich noch beantworten. Aber nun der Reihe nach.

Einleitend sei mir allerdings gestattet, die Frage der Bedeutung und Stellung der Lokführertätigkeit im System Bahn zu diskutieren.

Triebfahrzeugführer – Facharbeiter mit einer verantwortungsvollen Bedienertätigkeit

Bei der Suche nach der eigentlichen Verantwortung für das kollisionsfreie Stellen eines Fahrweges und damit letztlich für das Gewährleisten einer sicheren Zugfahrt wird man beim Fahrdienstleiter in der Betriebsleitzentrale bzw. auf dem Stellwerk fündig. Dieser entscheidet auch über Rang und Reihenfolge bei Abweichungen vom Betriebsablauf. Dies selbstverständlich diskriminierungsfrei.

Der Lokführer vollzieht erteilte Fahraufträge. Im Übrigen wird ihm sein gesamtes Tun über die Strecken- oder die Führerstandssignalisation vorgegeben. Auch das Gewährleisten der Sicherheit geschieht heute überwiegend automatisch. Die Technik ist es auch, welche im Ernstfall das Überfahren eines Halt zeigenden Signales unterbindet.

Sie werden nun fragen wofür benötigt man dann eigentlich einen Lokführer? – Um die Frage klar zu beantworten – Mit heute verfügbaren technischen Lösungen in der Leit- und Sicherungstechnik ist diese Tätigkeit schon jetzt in Gänze verzichtbar. Docklands Rail in London und die Pariser Metrolinie M14 fallen mir da ganz spontan ein. Selbige verkehren gänzlich ohne Fahrperonal. Hinweis am Rande: Lohnerhöhungen von geforderten 31% stellen somit nur einen kurzfristigen Phyruss -Sieg dar und erhöhen den Rationalisierungsdruck. Aber eigentlich wollen wir uns bei der Diskussion der absoluten Tarifforderungen heraushalten. Entschuldigung – aber es lag mir eben auf der Zunge.

Es gibt sogenannte Verkehrsexperten, die vergleichen Lokführer gern mit Piloten. Auch hier gilt: „Kleider machen Leute“. Die Anleihe der Bahn bei der Lufthansa in Bezug auf die Dienstkleidung ist unverkennbar. Mehr allerdings auch nicht!

Ich gestatte mir einen Vergleich mit einem Straßenbahnfahrer. Das Ergebnis können Sie aus der Anlage 1 entnehmen. Der Straßenbahnfahrer geht übrigens in München mit 1.200 EUR Netto nach Hause. Von Ostgehältern wollen wir mal gar nicht erst reden.

Ich möchte mit meinen Darlegungen bewusst aufräumen mit dem in der Öffentlichkeit blumig breitgetragenen beruflichen Zerrbild. Nicht weil sich jemand als Berufsgruppe wichtig nimmt, ist er deswegen schon etwas Herausgehobenes im Kreis aller für das Produkt Bahn stehenden Beschäftigten.

Ich erkenne allerdings auch an, dass Einsatzwechseltätigkeiten und Schichtdienst nicht nur Belastungen bei der Verrichtung der dienstlichen Tätigkeit selbst, sondern auch harte Eingriffe in das Familienleben darstellen. Die Betroffenheit des Einzelnen stellt sich allerdings innerhalb der Berufsgruppe auch sehr unterschiedlich dar.

All diese Belastungen sind über Erschwerniszuschläge abzugelten. Ich sehe allerdings keinen Grund für eine gesonderte Besserstellung der Lokführer im Gefüge der Beschäftigten insgesamt. Die Versäumnisse der Tarifpartner in der Vergangenheit bei der Bewertung dieser Erschwernisse sind die Wurzel des aktuellen Übels.

Ein Wort zur TRANSNET

Eine Vorbemerkung kann ich mir persönlich nicht sparen.
Infratest Dimap hat im Auftrag der Sächsischen Liberalen die Wählergruppe der „Arbeiter und Angestellten“ als die Zielgruppe für FDP identifiziert. Bei der mitunter festzustellenden unterschwelligen Sympathie auch liberaler Funktionsträger für gewerkschaftlich organisierte Beschäftigungsrandgruppen sollte der Weg nicht allzu weit sein, auch zu akzeptieren dass sich Bürger der Zielgruppe selbst, aber auch Mitglieder der FDP in Gewerkschaften organisieren und sich mit ihrem liberalen Gedankengut (zum Teil in harter Auseinandersetzung mit linker Parteipolitik) einbringen. Es wäre wünschenswert wenn auch in der Wertung der Gewerkschaften zwischen Gewerkschaftsführung und Mitgliedern stärker differenziert würde.

Ich konzentriere mich bei meiner Analyse auf das Ergebnis des Handelns und nicht auf eine Bewertung spekulativer Gründe für das Handeln selbst.

Entscheidend ist, dass TRANSNET als eine der wenigen Gewerkschaften, übrigens in Auseinandersetzung mit der DGB-Spitze, die Privatisierung des Unternehmens unterstützt und die Mitglieder (bis jetzt!) auf diesem Wege mitgenommen hat.

Entscheidend ist auch, dass TRANSNET durch moderate Tarifabschlüsse einschließlich eines Beschäftigungssicherungstarifvertrages, wo jeder Beschäftigte auf 5 % seiner Entlohnung, einen Tag Urlaub und dies bei Verlängerung der Wochenarbeitszeit die Sanierung des Unternehmens und damit das Schaffen der Vorraussetzungen für einen Börsengang unterstützte.

Das Ausscheren einer Berufsgruppe aus der Solidargemeinschaft aller Beschäftigten stellt somit das Erreichte im Sanierungsprozess in Frage. Jeder der den Börsengang ehrlich befürwortet und damit einem starken deutschen Player auf dem globalisierten Verkehrs- und Logistikmarkt befördern will, sollte hier nicht wackeln.

Die Mitarbeiter, welche weiter als bis zum nächsten Zahltag denken, teilen auch mehrheitlich diese Auffassung.

Wer das Unternehmen nur von außen analysiert, kann freilich zu anderen
Schlussfolgerungen kommen.

Koalitionsfreiheit und Tarifeinheit

Es ist unbenommen, dass Liberale für das Recht auf Koalitionsfreiheit eintreten. Konkurrenz belebt das Geschäft. Dies kann auch Gewerkschaften gut tun. Dem gegenüber steht allerdings der Grundsatz, dass es in einem Betrieb nur einen Tarifvertrag geben kann, welchen das Unternehmen mit einer Gewerkschaft oder einer Tarifgemeinschaft bestehend aus mehreren
Gewerkschaften verhandelt.

Allein aus Sicht der Rechtssicherheit und der damit verbundenen Führbarkeit von

Unternehmen sprechen nachfolgende Gründe für den Erhalt der Tarifeinheit:

– Unternehmensplanung ist bei mehreren Tarifverträgen mit unterschiedlichen Laufzeiten definitiv unmöglich (Aktionäre fordern mit Recht eine belastbare Unternehmensplanung)

– Der Arbeitgeber muss die Gewerkschaftszugehörigkeit der Beschäftigten erfragen, um hieraus abzuleiten, welcher Tarifvertrag anzuwenden ist.
Rechtlich ist dies dem Arbeitgeber jedoch untersagt. Ganz kurios wird es, wenn Mitarbeiter Mitglied in zwei Gewerkschaften sind, um sich wahlweise für die vorteilhafteren Konditionen zu entscheiden

– Rechtsunsicherheit für die Gremien der betrieblichen Mitbestimmung

– Mit dem Ende der Tarifeinheit endet die Friedensfunktion des Flächentarifvertrages. Ein Arbeitgeber sollte sich darauf verlassen können, dass während der Laufzeit eines geltenden Tarifvertrages kein Risiko besteht Arbeitskampfmaßnahmen ausgesetzt zu sein.

– Im worstcase wäre ein Unternehmen die überwiegende Zeit in Tarifauseinandersetzungen verwickelt.

Die Führbarkeit von Unternehmen ist ein Standortfaktor. Nur politische Geisterfahrer sind bereit die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland aufs Spiel zu setzen.

Zeit für klare Worte – Ende der Konsenzdemokratie

Wir haben es in Deutschland, zumindest seit 1989 schon wieder verlernt für politische Ziele zu kämpfen.
Die Bahn muss diesen Tarifkonflikt durchstehen. Sie tut dies stellvertretend für die gesamte deutsche Wirtschaft.
Bei einem Marktanteil der Deutschen Bahn von 15 % am Verkehrsmarkt den Untergang der Republik herbeizureden scheint unbegründet, zumal das mobilisierbare Potenzial der GDL sich deutlich in Grenzen hält.

Anstatt hämischer Schadenfreude manch eines Verkehrs- oder Wirtschaftspolitikers auch in der eigenen Partei hat das Management der Bahn in der Kernfrage nach einem eigenständigen Tarifvertrag die Unterstützung der Politik verdient.

Dieser Arbeitskampf ist durch zu stehen, selbst wenn dieser das Unternehmen auf seinem Weg an den Kapitalmarkt um ein Jahr ausbremst.

Wie heißt es so schön:

„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“

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